35. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropsychologie
Ort: Onlinetagung
Nachlese zur 35. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropsychologie
Neuropsychologie – zwischen Beständigkeit und Veränderung, aus Erfahrung für Innovation
Die diesjährige Jahrestagung war für alle Beteiligten ein Abenteuer, und wie das bei einem Abenteuer so ist, es gibt Abschnitte, da hält man die Luft an und hofft nur, dass man es gut übersteht und es gibt Zeiten, da ist man im Flow und freut sich, über das Geschenk eines solchen Erlebnisses.
Die Technik hat uns Erstaunliches ermöglicht: Zwischenzeitlich fast 200 Menschen konnten in der Mitgliederversammlung und in der Weiterbildungskonferenz Anträge und Perspektiven diskutieren, die Mitglieder, konnten live in Video und Audio dazu geschaltet werden. Ca. 300 Teilnehmende haben sich von nah und fern am 25.09. und 26.09.2020 ins virtuelle Kongresszentrum eingeloggt und sich zu den neuesten Erkenntnissen der Neuropsychologie informiert und via Chat und Zoom-Konferenzen ausgetauscht. Das hier mal eine Katze und da mal ein Kind durchs Bild lief, hat das Ganze eher sympathisch und familiär gemacht.
Als Juliane Weicker in ihrem Vortrag vorgestellt hat, welche Hürden Menschen mit Hirnschädigung daran hindern, an einem Online-Training teilzunehmen, haben wir sehr gelacht. All das haben wir genauso erlebt: Bei einem Teil klappte der Zugangslink nicht oder es mussten neue Zugangsdaten zugesandt werden. Das Internet in der Region (Wann kommt eigentlich 5G?) oder in dem jeweiligen Haushalt war zu schwach oder der individuelle Rechner hatte eine zu geringe Rechenleistung oder zu strenge Sicherheitseinstellungen. Unsere Technikfirma Röll Media und Christina Wittlich vom Kongress und Messebüro Lentzsch haben alles gegeben, um technische Probleme zu lösen, unzählige Telefonate und E-Mails wurden im Hintergrund getätigt. Vielen Dank für die tolle Unterstützung.
Während am ersten Tag, wie traditionell auch bei den analogen Jahrestagungen, die Gremienarbeit der GNP im Vordergrund stand, wurden am Samstag insgesamt 6 verschiedene, parallele Symposien zu aktuellen wissenschaftlichen Themen der Neuropsychologie unter Leitung der Tagungspräsidentinnen PD Dr. Kristina Hennig-Fast und Dr. Angelika Thöne-Otto gestaltet.
In der Mitgliederversammlung wurden über elektronische Abstimmungstools Satzungsänderungen befürwortet, der Vorstand entlastet sowie neu besetzt (Wiederwahl Sabine Unverhau und Neuwahl von apl. Prof. Dr. Jutta Billino (Justus-Liebig-Universität Gießen)) und neue Kassenprüfer gewählt. Wir verabschiedeten Dr. Simone Goebel aus dem Vorstand. Wir danken ihr für ihre wunderbare Vorstandsarbeit und wir danken allen Mitgliedern für die konstruktive Beteiligung an allen Gremien.
Die wissenschaftlichen Symposien haben thematisch den Bogen gespannt von der - passend zur Onlinetagung - virtuellen Realität über die Gestaltung assistiver Technologien hin zu kognitiven Kommunikationsstörungen und musikgestützten Therapiemöglichkeiten. Auch neuropsychologische Kernthemen wie die soziale Kognition bei neurologischen und psychischen Erkrankungen wurden behandelt. In Pandemie-Zeiten ist auch das brandaktuelle Thema Neuropsychologie in der Behandlung von Post-Covid-19 Patienten nicht zu kurz gekommen. Auch das Memorandum Symposium, welches sowohl das inhaltliche als auch das persönliche Engagement von dem in diesem Jahr verstorbenen Prof. Wolfgang Hartje würdigte, wurde durch internationale Referent*innen getragen, die seine Wegbegleiter waren. Dieses besondere Ehrensymposium bewies, dass nicht nur Sachinhalte, sondern auch affektive Beteiligung online übermittelt wird.
Zum Austausch standen den Teilnehmern sechs verschiedene Themenchats zur Verfügung, die rege genutzt wurden. Inhaltlich konnten hier Fragen zu den vorher gehörten Vorträgen gestellt werden, aber auch technisch-organisatorische Fragen fanden hier ihr Ventil und gegenseitige Unterstützung. Der Austausch untereinander konnte per Audio und Video in den Gremiensitzungen – Arbeitskreistreffen, Weiterbildungskonferenz und Mitgliederversammlung – lebendiger als in der Chatkommunikation gestaltet werden.
Kleinere Improvisationen an der einen oder anderen Stelle konnten auch durch die renommierten internationalen Key Note Speaker, die bei einer Live Tagung vor Ort nicht buchbar gewesen wären, ausgeglichen werden. Wir danken Dirk Bertens (Radboud University, Nijmegen, Niederlande) für seine Einführung ins Goal Management Training, Jon Evans (Glasgow University, Glasgow, Schottland) für seinen Vortrag zum Spektrum zwischen Gedächtnishilfe-Technologien und positiver Psychotherapie und Jutta Joormann (Yale University, New Haven, USA) zum sehr anschaulichen Vortrag zu Kognition und Emotionsregulation bei Menschen mit Depression.
Der GNP-Nachwuchsförderpreis zur „Förderung der Klinischen und Kognitiven Neuropsychologie” wurde an Dr. Lisa Finkel Konstanz für ihre Disseration „Behavioral and neural correlates of affordance judgments“ verliehen. Der Förderpreis ist mit 1.000 € dotiert und wird gemeinsam von der HASOMED GmbH Magdeburg und der Gesellschaft für Neuropsychologie e.V. gestiftet.
Zusätzlich wurden zwei weitere Arbeiten mit Buchpreisen, gestiftet vom Hogrefe Verlag, ausgezeichnet. Die diesjährigen Buchpreise gingen an:
- Platz 2: Dr. Mandy Roheger, Köln, Titel: Cognitive plasticity in healthy older adults – effects of non-pharmacological interventions and prediction of intervention success
- Platz 3: Dr. Lorenz Dehn, Bielefeld, Titel: Neuropsychologische Leistungen bei Patienten mit Depression: Einflussfaktoren und Alltagsbezug.
Des Weiteren wurden zwei Posterpreise - in diesem Jahr vom Publikum per Online-Abstimmung gewählt – verliehen. Das Preisgeld von je 200 € wurde von der Schuhfried GmbH gesponsert und ging an Simon Ladwig (Titel: Prädiktoren depressiver Symptome in der Akutphase nach Schlaganfall) und Sarah Neander (Titel: Darf man Buchstaben durch Zahlen teilen? Überprüfung der Konstruktvalidität von TMT-Indizes).
Die GNP dankt an dieser Stelle nochmal allen Sponsoren, die diese Preisvergabe ermöglicht haben.
Die Tagung hätte nicht so erfolgreich sein können, ohne Symposiumsorganisatoren und Referentinnen und Referenten, vor allem aber ohne die Teilnehmenden, die sich auf das Format eingelassen haben. Der Aufruf in der Eröffnungsrede „Seid dabei!“ wurde in bemerkenswerter Weise beherzt, es gab einen sehr lebendigen Austausch mit Fragen in den wissenschaftlichen Diskussionen, vielen Ermunterungen, Wertschätzungen und Grüßen im Chat. Gerade diese Rückmeldungen haben uns getragen, wenn wir vor dem Bildschirm standen und keine Ahnung hatten, ob uns da draußen 3 oder 200 Leute zuhören. Ganz herzlichen Dank dafür! Natürlich wollen wir uns alle beim nächsten Mal wieder live im selben Raum nicht nur sehen, sondern auch fühlen und riechen, wollen nicht nur zur Sache, sondern auch nebenher miteinander reden. Gleichzeitig haben wir alle festgestellt, dass das Format natürlich auch viele Vorteile hat. Daher liegt die Zukunft vielleicht in einer Verbindung von digitalem und Vor-Ort-Format als sogenannte hybride Tagung. Warten wir’s ab. Wir dürfen das Feedback eines sehr geschätzten Kollegen zitieren: „Vielen Dank an ALLE Organisatoren, Referenten …. Eine tolle Leistung, … Ihr habt Neuropsychologie-Geschichte geschrieben. Ein persönlicher Kontakt wäre mir noch lieber“. Wir denken, wir haben nicht nur Geschichte geschrieben, sondern die Zukunft willkommen geheißen. Vielen Dank an alle!
Wir sehen uns im nächsten Jahr zur 36. Jahrestagung der GNP vom 28.10.2021-30.10.2021 als 2. Workshoptagung in Fulda.
Ihre Tagungspräsidentinnen 2020
PD Dr. Kristina Hennig-Fast und Dr. Angelika Thöne-Otto